Ein Ticket kaufen, einfach überall einsteigen, ein Traum. Das 9-Euro Ticket macht es möglich. Diese Maßnahme ist ein Teil Maßnahmenpakets, mit welchem die Bürger aufgrund der gestiegenen Energiepreise entlastet werden sollen. Dieser Essay soll sich mit den möglichen Folgen beschäftigen, die Ziele der Maßnahme begutachten und diese kritisch hinterfragen.
9-Euro Ticket: Eine Übersichtliche Analyse
Inhalt
4. Zielsetzung Des 9-Euro Tickets
a) Verkehrsverbünde
b) Politik
c) Bevölkerung
5. Kritikpunkte Am 9-Euro Ticket
6. Unser Fazit
Eckdaten Des 9-Euro Tickets
Am 20. Mai war es so weit, das Maßnahmenpaket wurde im Bundesrat ratifiziert. Das Ziel dieses Paketes ist es, die Bürger aufgrund der steigenden Energiepreise zu entlasten. Neben einem Tankrabatt oder auch einem Erhöhen der Pendlerpauschale war auch das viel beredete 9-Euro Ticket ein Teil. Für den Zeitraum von Juni bis August kann jeder für monatlich 9-Euro in ganz Deutschland den Nahverkehr benutzen.
Und diese Maßnahme zeigt im Bezug auf das Personenaufkommen in Zügen definitiv Wirkung. Kein Wunder es lohnt sich rechnerisch bereits ab drei bis vier Fahrten mit dem Bus, von einem Bahnticket ganz zu schweigen. Nach dem Lobbyverband der Verkehrsunternehmen (Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)) wurden stand 16.06.2022 bereits 16-Millionen Tickets dieser Art verkauft.
Reaktion Aus Der ÖPNV-Lobby
Die Maßnahme wurde nach einem Bericht des Vorstandes nach anfänglicher Verunsicherung positiv von den teilnehmenden Verkehrsunternehmen aufgenommen. Überrascht war man, so Ingo Wortmann,
„dass die Bürgerinnen und Bürger mit einer deutlichen Preissenkung finanziell entlastet werden sollen – nicht nur an der Tankstelle, sondern richtigerweise auch bei der Nutzung des ÖPNV“.4
Nur ein Problem kristallisierte sich bereits vorher raus. So gibt es laut VDV keine „nennenswerten Betriebsreserven“, was bereits an beliebten Strecken und während Events spürbar wurde. Bei der Erlanger Bergkirchweih beispielsweise war der Andrang so groß, dass Menschen teilweise nicht mehr in die Züge passten. Auch ist dieses Problem auf beliebten „Touristenstrecken“ aufgekommen.
Was hingegen gut zu funktionieren scheint ist die Koordination mit den einzelnen Verkehrsunternehmen. So kann man an jeder erdenklichen Ticketverkaufsstelle das Ticket erwerben und direkt losfahren. Bestehenden Abo Kunden wurde der zu zahlende Betrag effektiv auf neun Euro gesenkt und Studenten können ihren Studentenausweis als Ticketersatz für diese drei Monate bundesweit nutzen.
Finanzierung & Gesetzliche Verankerung
Eingearbeitet ist das Ticket in das so genannte Regionalisierungsgesetz. Dieses legt grob gesagt die finanziellen Mittel fest, die für den ÖPNV an die Länder verteilt werden. Nach einer Prognose ergibt sich aufgrund entfallender Ticketeinnahmen für die Verkehrsunternehmen insgesamt ein Kostenpunkt von 2.5 Milliarden Euro. Das bedeutet das Ticket soll und wird vollständig vom Bund finanziert. Den Ländern werden die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt.
„(1) Für den Zeitraum Juni bis August 2022 wird ein Tarif angeboten, der für ein Entgelt von 9 Euro pro Kalendermonat die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs ermöglicht. Die für die Umsetzung der in Satz 1 genannten Maßnahme erforderliche Zustimmung nach § 39 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 6 Satz 1 und 2 des Personenbeförderungsgesetzes sowie die Genehmigung nach § 12 Absatz 3 Satz 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes gelten als erteilt.(2) Den Ländern steht im Jahr 2022 für den Ausgleich der durch die Einführung und die Umsetzung der in Absatz 1 Satz 1 genannten Maßnahme entstandenen finanziellen Nachteile ein Betrag aus dem Steueraufkommen des Bundes zu. Der Betrag wird auf 2 500 000 000,00 Euro festgesetzt.(3) Der Betrag nach Absatz 2 wird wie folgt auf die Länder verteilt:
Baden-Württemberg 293 600 000,00 Euro Bayern 529 200 000,00 Euro Berlin 226 100 000,00 Euro Brandenburg 54 700 000,00 Euro Bremen 33 800 000,00 Euro Hamburg 143 800 000,00 Euro Hessen 184 300 000,00 Euro Mecklenburg-Vorpommern 34 100 000,00 Euro Niedersachsen 200 100 000,00 Euro Nordrhein-Westfalen 468 100 000,00 Euro Rheinland-Pfalz 86 800 000,00 Euro Saarland 17 100 000,00 Euro Sachsen 71 700 000,00 Euro Sachsen-Anhalt 36 200 000,00 Euro Schleswig-Holstein 87 300 000,00 Euro Thüringen 33 100 000,00 Euro. (4) Der Betrag nach Absatz 3 wird spätestens am 11. Juni 2022 ausgezahlt.(5) Die Länder passen einvernehmlich die in Absatz 3 festgelegte Verteilung in einer Endabrechnung an die in diesem Zeitraum tatsächlich entstandenen finanziellen Nachteile im öffentlichen Personennahverkehr in eigener Verantwortung an. Der Bund wird über eine solche Beschlussfassung und die anschließende Umsetzung jeweils zeitnah unterrichtet.(6) Die Länder sind für die zweckentsprechende Verwendung der Beträge nach Absatz 3 verantwortlich und weisen dem Bund die Verwendung dieser Mittel bis zum 30. Juni 2024 gemäß Anlage 6 nach. Nicht im Jahr 2022 verwendete Mittel werden in den Folgejahren über die Anlage 4 nachgewiesen, indem diese Regionalisierungsmittel der Summe der verfügbaren Mittel zugerechnet werden“.8
Zielsetzung Des 9-Euro Tickets
Die Ziele sind vielschichtig und beschränken sich nicht auf die temporäre Unterstützung der Bürger aufgrund steigender Energiepreise. So hat der Verkehrsminister die Ziele für die verschiedensten Parteien benannt.
a) Verkehrsverbünde
Den Verkehrsverbünden gebe das 9-Euro Ticket eine Möglichkeit neue Kunden nachhaltig zu akquirieren (gewinnen). Personen, die vorher Nahverkehr kategorisch abgelehnt haben, wird ein großer Ansporn gegeben diesen auszuprobieren. Eine Hoffnung ist es, dass die Verkehrsunternehmen es durch gut durchdachte Anschlussangebote und gutes Marketing schaffen, nachhaltig den Kundenstamm zu erhöhen. Ob das funktioniert, ist aber nach wieder erhöhten Preisen allerdings nicht gesichert.
b) Politik
Für die Politik ist es eine Chance Daten für die im Koalitionspapier angekündigte Verkehrswende zu sammeln. Es ist in diesem Sinne ein Experiment, um zu sehen, inwiefern Vergünstigungen Anreiz sind auf den ÖPNV umzusteigen. Auch lassen sich diese Daten ortsbezogen zuordnen, wodurch man potenziell fehlende Strukturen eindeutig aufzeigt, sprich wo eine Vergünstigung nicht Anreiz genug ist, da die Infrastruktur zu schwach ist.
c) Bevölkerung
Für die Bürger ist es eine Möglichkeit die erwünschte Mobilität der Zukunft auszuprobieren und auch den Tag dementsprechend anzupassen. Durch das 9-Euro Ticket ist der Bus oder die Bahn fast auf jeder Strecke dem Auto preislich überlegen, das führt möglicherweise zu Anpassungen im Mobilitätsverhalten. Die große Frage hierbei ist, ob diese Änderung des Verhaltens nur temporär ist und wie es möglich ist, diese nachhaltig aufrechtzuerhalten.
Auch handelt es sich bei der Maßnahme um eine „Sozialpolitische“. Es soll Menschen, die aufgrund der akut steigenden Energiepreise nicht mehr in der Lage sind den Sprit zu zahlen, eine kostengünstige Alternative bieten, um ihre Mobilität zu gewährleisten.
Zusammengefasst gibt es selbstverständlich verschiedene Blickwinkel, der einzelnen Parteien, aber im Grunde ist diese Maßnahme für alle Teilnehmer
„[eine] Riesenchance, diese drei Monate einen neuen denkbaren Weg zu gehen und klimafreundliche Mobilität praktisch zu testen“.4
Zudem wird dieses Experiment strukturelle Probleme aufzeigen.
Kritikpunkte Am 9-Euro Ticket
Das 9-Euro Ticket ist zunächst einmal eine gute Idee, aber es gibt durchaus berechtigte aber auch unberechtigte Kritikpunkte, die in der Presse kursieren. Tagesschau.de hat die Kritikpunkte runtergebrochen. Auf diese soll in der Folge eingegangen werden.
Kritik von den Ländern gab es bei der Bundesrat Abstimmung, weil sie finden, dass das 9-Euro nur temporär eine Wirkung hat. Sie fordern nachhaltige Maßnahmen, die den ÖPNV langfristig stärken. Also ihn erschwinglicher machen und ihn gleichzeitig strukturell aufrüsten. Dessen ist sich die Koalition laut einer Aussage von Detlef Müller (SPD) im Bundestag durchaus bewusst.
„Wir wissen, dass mit dem heute zu beschließenden Gesetz die strukturellen Probleme des ÖPNV nicht gelöst werden“.4
So sollen die Mittel deutlich erhöht werden, mit welchen der Bund indirekt den ÖPNV staatlich fördert. Dieses geschieht, wie auch die temporären Maßnahmen über das Regionalisierungsgesetz und soll im Haushalt 2023 festgelegt werden. Allgemein hat sich die Koalition ausführlich im Koalitionspapier zur Verkehrswende bekannt und ausführlich dargelegt, wie diese aussehen soll.
Gleichzeitig sind diese Versprechungen bisher nur „heiße Luft“. Die jährlichen Zahlungen des Bundes erhöhen sich zwar laut dem Gesetz jährlich, aber diese Summe ist gerade ausreichend, um hoffentlich den Status quo beizubehalten. Auch im Haushalt 2022 wurde der Punkt ÖPNV nicht ausreichend benannt. Es fehlt also bisher das stehende Konstrukt. Allerdings wurde von Stefan Gelbhaar (Grüne) in der Sitzung gesagt, dass ein Konzept bereits in Arbeit ist und dieses wohl in den Haushalt 2023 enthalten sein soll.
Die finanzielle Unterstützung wird im Bezug auf die steigenden Energiepreise noch einmal wichtiger, da sonst die Gefahr besteht, dass zuvor bestehende Tickets deutlich teurer wären. Dadurch würde sich langfristig der Kundenstamm eher verkleinern als vergrößern.
Eine weitere Befürchtung bezieht sich auf die partielle Überfüllung der Züge. Die Angst ist, dass das Experiment im Nachhinein sogar negative Auswirkungen auf die Fahrgastzahlen hat. Menschen, die mit Verspätungen, nicht möglicher Fahrradmitnahme und allgemein überfüllten Zügen konfrontiert sind, könnten abgeschreckt werden. Das Risiko liegt darin, dass strukturelle Probleme allen Verkehrsteilnehmern deutlich werden.
Der Kritikpunkt, der darauf abzielt, ob man einen Zug verwenden darf oder nicht ist unserer Meinung nach nicht gerechtfertigt. Grundsätzlich kann man mit jedem Zug der Regio-DB fahren, aber nicht mit den Fernzügen. Regio-DB Fahrzeuge erkennt man an der roten Farbe mit einem weißen Streifen. Auf den wenigen Strecken, auf denen ICs oder ECs als Regionalzüge verkehren, wird an der Betitelung des Zuges klar, worum es sich dabei handelt. Zudem kann auch jederzeit nachgefragt oder nachgeschaut werden, an welchen Zügen das 9-Euro Ticket gültig ist.
Hingegen zu wenig besprochen wird unserer Meinung, dass sich das Coronavirus in gefüllten Zügen und Bussen einfacher ausbreiten kann.
Unser Fazit
Zusammenfassend ist das 9-Euro Ticket eine optimale kurzfristige Lösung für die steigenden Energiepreise und eine Möglichkeit, um strukturelle Probleme aufzuzeigen. Gleichzeitig löst dieses Ticket keine Probleme im ÖPNV, dessen scheint sich die Bundesregierung aber durchaus bewusst zu sein. Im Anbetracht eines Energieengpasses im Winter ist allerdings die Frage, inwiefern es nicht besser gewesen wäre die Maßnahme nicht im Nachhinein für diesen Teil des Jahres „aufgespart“ zu haben.
Quellen und weiterführende Literatur:
- Information 9-Euro Ticket (Bundesregierung)
- Updates & Daten zum 9-Euro Ticket
- Information Entlastungspaket (Bundesregierung)
- Sitzungsbericht Bundestag zu 9-Euro Ticket
- Koalitionsvertrag: Mobilität (Seite 48-54)
- Kritik 9-Euro Ticket (Tagesschau.de)
- Vorstand VDV zum 9-Euro Ticket
- Regionalisierungsgesetz