Betrachtet man Länder geht es nicht selten um die Stabilität dieser. Eine valide Frage ist dabei, wie misst man die Stabilität eines Landes? In diesem Zusammenhang soll dieser Essay einen knappen Einblick in die generelle Funktion des Staates geben und den Unterschied zwischen dem politischen System und dem Staatsbegriff hervorheben um abschließend zu klären, was zu betrachten ist um die Stabilität eines Landes zu bestimmen.
Wie lässt sich die Stabilität eines Landes messen? – Unterscheidung zwischen politischem System und Staatsbegriff
Bild von Nick Youngson (CC BY-SA 3.0)
Inhalt
1.1 Aufgaben eines Staates
1.2 Gewaltmonopol als Medium
1.3 Weitere Anforderungen und Aufgaben
1.4Definition nach Max Weber
2. Das Politische System
2.1Drei Dimensionen des p.S
2.2Modellierung des p.S.
2.3Aufgaben und Funktionen
3. Unterscheidung p.S. und Staatsbegriff
Staatsbegriff
Aufgaben eines Staates
Betrachten wir dafür zunächst den Staatsbegriff. Dieser lässt sich am besten über seine Funktionen definieren. Nach Paul-Ludwig Weinacht gibt es zwei Grundaufträge, die ein Staat zu erfüllen hat, um funktionabel zu sein. Diese teilen sich in eine existentielle und eine moralische Aufgabe.
- Existentielle Aufgabe: Das grundlegende Überleben der Gesellschaft sichern.
- Moralische Aufgabe: Durch moralische Vorgaben das miteinander innerhalb der Gesellschaft sicherstellen.
Gewaltmonopol als Medium
Um diesen Grundsätzlichen Aufgaben gerecht zu werden benötigt der Staat das Gewaltmonopol, dazu schrieb Max Weber:
„“Jeder Staat wird auf Gewalt gegründet,“ sagte seinerzeit Trozkij in BrestLitowsk. Das ist in der Tat richtig. Wenn nur soziale Gebilde beständen, denen die Gewaltsamkeit als Mittel unbekannt wäre, dann würde der Begriff „Staat“ fortgefallen sein, dann wäre eingetreten, was man in diesem besonderen Sinne des Wortes als „Anarchie“ bezeichnen würde.“
Besteht dieses Gewaltmonopol nicht, oder löst sich auf, kann der Staat auch nicht mehr diesen zwei grundsätzlichen Aufgaben nachkommen. Deshalb spricht man in diesem Fall auch von einem failing state.
Weitere Anforderungen und Aufgaben
Um die Gefahr eines solchen anarchischen Zustandes zu bannen, ist es essenziell, dass ein „guter“ Staat sich an den Bedürfnissen der Staatsbürger (Personen, die den Staat legitimieren) orientiert und dabei auf Umwelteinflüsse geeignet und flexibel reagieren kann. Die Aufgaben des Staates erweitern sich dadurch um die Bemühung um Rechtsstaatlichkeit und auch grundlegende Leistungen im Gesundheits- und Bildungswesen und in der Wohlfahrt für die Staatsbürger.
Zusätzlich umfasst der Staat immer ein definiertes Gebiet, in welchem er das Gewaltmonopol innehat.
Definition nach Max Weber
„Staat ist diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes – dies: das „Gebiet“, gehört zum Merkmal – das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht.“ (Weber 1926. S.8)
Zusammengefasst sind somit unter der Bezeichnung alle Institutionen vereint, die zum einen das Gewaltmonopol sichern und dieses zum anderen durch Normen sichern, die in einem beschränkten Gebiet Gültigkeit haben. Somit umfasst der Staatsbegriff nur Polity.
Das Politische System
Drei Dimensionen des p.S
Das politische System hingegen umfasst alle Strukturen und Prozesse, in denen für den Staat gültige Entscheidungen ausgearbeitet und durchgesetzt werden (Rudzio 2006. S.10). Genau genommen teilt sich das politische System in drei Bereiche oder Dimensionen:
- Institutionen wie die Verfassung oder allgemein politische und administrative Institutionen geben den Handlungsrahmen der Gesellschaft vor. Diese Dimension nennt sich Polity, umfasst also die „Form“.
- Der Prozess, also beispielsweise die Willensbildung oder die Interessenvermittlung oder auch der Machtkampf der politischen Akteure wird als Politics bezeichnet
- Die dritte Dimension des politischen Systems ist der Inhalt oder Policy. Dieses verweist auf die konkreten Politikfelder, also beispielsweise der Koalitionsvertrag der Bundesregierung kann als Teil der Policy verstanden werden.
Modellierung des p.S.
Konkret besteht das politische System einerseits aus dem zentralen politische Entscheidungssystem (ZPES), also die Legislative, Judikative und Exekutive, andererseits aber auch Parteien, die Medien und jegliche Interessensgruppen. Diese zweite Kategorie fungiert dabei als Vermittler zwischen dem Gesellschaftssystem und dem ZPES. Das ZPES stellt dabei den Kern des politischen Systems dar und wird häufig auch als staatliches System bezeichnet.
Aufgaben und Funktionen
Ein politisches System muss dabei, genauso wie der Staat gewisse Funktionen erfüllen, um seine Existenz zu sichern. Das AGIL-Schema von Talcott Parson führt dabei die Bedingungen für die Persistenz eines Systems auf.
- Adaption ist die benötigte Fähigkeit eines Systems, auf die sich verändernden äußeren Bedingungen zu reagieren und sich an die Gegebenheiten anzupassen
- Goal Attainment ist die Fähigkeit eines Systems, Ziele zu definieren und diese zu verfolgen
- Integration ist die Fähigkeit, Zusammenhalt und Inklusion herzustellen und abzusichern
- Latency als vierte Komponente ist dabei die benötigte Fähigkeit grundlegende Strukturen und Wertemuster aufrechtzuerhalten
Unterscheidung p.S. und Staatsbegriff
Diese gehen dabei weit über die grundlegenden Anforderungen an einen Staat hinaus. Ein politisches System bedingt vier ausgeprägte untergeordnete Systeme: Verhaltenssystem, Persönliches System, Kulturelles System und das Soziale System, um sein Fortbestehen zu sichern, diese benötigt der Staat nicht. Ein Staat kann auch weiterhin existieren, wenn das politische System längst versagt hat, solange der innere Kern noch besteht und damit das Gewaltmonopol noch gesichert ist.
Abschließend kann also gesagt werden, der Staat ist eine leere Hülle, die durch ein politisches System gefüllt wird, wobei dieses in Wechselbeziehungen mit dem Gesellschaftssystem steht und sich dabei an veränderte Umweltbedingungen anpasst. Im Gegensatz dazu ist der Staat ein starres System, das nur vorsichtig verändert werden sollte, da er sonst zu zerbrechen droht. Spricht man also von einem failed state, hat zuvor das politische System versagt. Somit lässt sich die interne Stabilität eines Staates an der Gesundheit des politischen Systems gewissermaßen bestimmen.