Publications Philosophie

ZeilefürZeile: „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“

ZeilefürZeile: „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ – Danger Dan

 

Von allen Freiheiten, die der demokratische Rechtsstaat gewährt, geht wohl kaum eine so weit wie die Kunstfreiheit. Die Kunst gewährt dem Künstler eine metaphorische Distanz zum Gesagten, die in der Realität nicht vorhanden ist. Danger Dan lotet in seinem Stück „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ die Grenzen dieser Freiheit aus und reiht sich damit in die immer wieder erstarkende Diskussion über Kunstfreiheit ein. Somit reagiert er auf die Strategien der neurechten Szene, die sich nach eigenen menschenverachtenden Aussagen meist auf das Recht der freien Meinungsäußerung beruft.

 

Inhalt

1. „Was darf Satire? Alles.“ – Kurt Tucholsky.
2. Inhalt des Kunstwerkes
3. Analyse: ZeilefürZeile
4. Fazit

„Was darf Satire? Alles.“ – Kurt Tucholsky.

Die schon im Titel des Stückes steckende und durch die Kunstfreiheit gedeckte Grenzüberschreitung zeigt sich in den politischen Kampfansagen, die konkret gegen verschiedene Führungspersönlichkeiten der Neuen Rechten, Verschwörungstheoretiker, Polizei und Verfassungsschutz gerichtet sind.

 

Inhalt des Kunstwerkes

In den ersten beiden Strophen schreibt Danger Dan bewusst im Konjunktiv, der Refrain betont spöttisch die rechtliche Zulässigkeit solcher Angriffe. So führt er die Meinungsfreiheit ad absurdum, indem Behauptungen so ausgesprochen werden, dass suggeriert wird, er würde sie selbst gar nicht so meinen, obwohl er sie natürlich trotzdem kundtut.

Außerdem greift er damit die Rhetorik der Neuen Rechten auf, deren Führungspersönlichkeiten, hier exemplarisch als Elsässer, Kubitschek, Gauland und Jebsen dargestellt, die Grenzen des Sagbaren so weit strapazieren, dass sie sich vermeintlich noch innerhalb der Meinungsfreiheit bewegen. Der Konjunktiv dient so zur vermeintlichen Relativierung der Aussage im Sinne einer Immunisierung gegen juristische Verfolgung.

In der dritten Strophe kommt dann die Auflösung: Danger Dan wechselt in den Indikativ und bekräftigt rückbezüglich seine Verurteilung der vorher genannten Personen und Positionen. Hier gibt Danger Dan seine wahre Intention zu erkennen: die Grenzen der Kunstfreiheit hinterfragen und strapazieren. Der Song endet mit der Frage nach notwendiger Militanz und Gewalt gegen Faschisten angesichts rechter Tendenzen in Polizei- und Staatsapparat. So ist diese balladenartig-kabarettistische Form Kampfansage und satirisches Gedicht zugleich.

 

Analyse: ZeilefürZeile

Also jetzt mal ganz spekulativ
Angenommen, ich schriebe mal ein Lied
In dessen Inhalt ich besänge, dass ich höchstpersönlich fände
Jürgen Elsässer sei Antisemit

Jürgen Elsässer ist ein deutscher Journalist, Publizist und rechtspopulistischer Aktivist, der avancierte vom antideutschen Linken zum befreiungsnationalistischen Verschwörungsphantasten und Antisemiten avancierte

Und im zweiten Teil der ersten Strophe dann
Würde ich zu Kubitschek den Bogen spannen

Götz Kubitschek ist ein rechtsextremer Verleger, der unter anderem zusammen mit Jürgen Elsässer als Hauptredner auf Pegida-Demos auftrat; Außerdem ist er Mitbegründer der rechtsextremen Denkfabrik Institut für Staatspolitik

Und damit meinte ich nicht nur die rhetorische Figur
Sondern das Sportgerät, das Pfeile schießen kann

Juristisch wär‘ die Grauzone erreicht
Doch vor Gericht machte ich es mir wieder leicht
Zeig‘ mich an und ich öffne einen Sekt
Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt

Also jetzt mal ganz spekulativ
Ich nutze ganz bewusst lieber den Konjunktiv
Ich schriebe einen Text, der im Konflikt mit dem Gesetz
Behauptet, Gauland sei ein Reptiloid

Alexander Gauland ist ein deutscher Jurist und Politiker. Seit 2017 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages, in dem er von 2017 bis 2021 neben Alice Weidel einer von zwei Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion der AfD war.

Reptiloiden sind von Verschwörungstheoretikern befürchtete Weltmachtgestalten, die menschenähnliche, intelligente, Lebensformen sein sollen, die von Reptilien oder reptilienartigen Außerirdischen abstammen sollen. Reptiloiden kommen in Verschwörungstheorien als wichtige Figuren der Weltgesellschaft

Und angenommen, der Text gipfelte in ei’m
Aufruf, die Welt von den Faschisten zu befreien
Und sie zurück in ihre Löcher reinzuprügeln noch und nöcher
Anstatt ihnen Rosen auf den Weg zu streuen

den Umgang mit Faschisten satirisch kommentiert.

Anspielung auf Kurt Tucholskys Gedicht „Rosen auf den Weg gestreut“ (1931) in dem er die kleinbürgerliche Bagatellisierung der Faschisten verspottet

„Ihr müßt sie lieb und nett behandeln,
erschreckt sie nicht – sie sind so zart!

Ihr müßt mit Palmen sie umwandeln,
getreulich ihrer Eigenart!

Pfeift euerm Hunde, wenn er kläfft –:
Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft!

Wenn sie in ihren Sälen hetzen,
sagt: »Ja und Amen – aber gern!
Hier habt ihr mich – schlagt mich in Fetzen!«
Und prügeln sie, so lobt den Herrn.

Denn Prügeln ist doch ihr Geschäft!
Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft.

Und schießen sie –: du lieber Himmel,
schätzt ihr das Leben so hoch ein?
Das ist ein Pazifisten-Fimmel!
Wer möchte nicht gern Opfer sein?

Nennt sie: die süßen Schnuckerchen,
gebt ihnen Bonbons und Zuckerchen …

Und verspürt ihr auch
in euerm Bauch

den Hitler-Dolch, tief, bis zum Heft –:
Küßt die Faschisten, küßt die Faschisten,
küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft –!

Juristisch wär‘ die Grauzone erreicht
Doch vor Gericht machte ich es mir wieder leicht
Zeig‘ mich an und ich öffne einen Sekt
Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt

Vielleicht habt ihr schon mal von Ken Jebsen gehört
Der sich über Zensur immer sehr laut beschwert
In einem Text von meiner Band dachte er, er wird erwähnt
Und beschimpft und hat uns vor Gericht gezerrt
Er war natürlich nicht im Recht und musste dann
Die Gerichtskosten und Anwältin bezahlen
So ein lächerlicher Mann, hoffentlich zeigt er mich an
Was dann passieren würde? Ich kann es euch sagen

 

Ken Jebsen ist ein deutscher Journalist und Webvideoproduzent, mit langer Historie von Verschwörungsideologien und antisemitischen Äußerungen;

Danger Dans Band, die Antilopen Gang singt in ihrem Song „Beate Zschäpe hört U2“ folgendes: „All die Pseudo-Gesellschaftskritiker / Die Elsässer, KenFM-Weltverbesserer / Nichts als Hetzer in deutscher Tradition / Die den Holocaust nicht leugnen, sie deuten ihn um“; 2015 verklagt der neurechte Journalist Ken Jebsen die Kombo wegen dieser Liedzeile auf eine einstweilige Verfügung, die jedoch vor Gericht abgewiesen wurde; Jebsen musste seinen Antrag nicht nur zurücknehmen, sondern auch für die Gerichts- und die Anwaltskosten der Antilopen Gang aufkommen, was Danger Dan in seinem Solostück aufgreift

Juristisch wär‘ die Grauzone erreicht
Doch vor Gericht machte ich es mir wieder leicht
Zeig‘ mich an und ich öffne einen Sekt
Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt

Nein, ich wär‘ nicht wirklich Danger Dan
Wenn ich nicht Lust hätte auf ein Experiment

Ab hier fängt Danger Dan an, von dem Umschweifen und der spekulativen Beschreibung abzuwenden, die rechtlich sicherer sein kann und fängt an, seine zuvor verpackten Aussagen nun ganz offen auszusprechen.

Mal die Grenzen auszuloten, was erlaubt und was verboten ist
Und will euch meine Meinung hier erzählen
Jürgen Elsässer ist Antisemit
Kubitschek hat Glück, dass ich nicht Bogen schieß‘
An Reptilienmenschen glaubt nur der, der wahnsinnig ist
Gauland wirkt auch eher wie ein Nationalsozialist

Hier bezieht sich Danger Dan rhetorisch geschickt auf Passagen aus Strophe 1 und 2

Faschisten hören niemals auf, Faschisten zu sein
Man diskutiert mit ihnen nicht, hat die Geschichte gezeigt

Dieser Grundpfeiler antifaschistischen Selbstverständnisses basiert historischen vor allem auf den Erfahrungen Zweiten Weltkriegs und dem der Appeasement-Politik von Neville Chamberlain; Letztlich besiegte man das nationalsozialistische Deutschland durch kriegerische Aktionen

Und man vertraut auch nicht auf Staat und Polizeiapparat
Weil der Verfassungsschutz den NSU mit aufgebaut hat

Die Terrororganisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ war verantwortlich für eine rassistische Mordserie zwischen 2000 und 2007; Deren organisatorisches Umfeld von Verbindungsleuten mehrerer Verfassungsschutzämter begingen zum Teil selbst Straftaten, zum Teil leisteten sie logistische Unterstützung bei deren Begehung. Über die V-Männer flossen auch beträchtliche staatliche Geldmittel in die Logistik des Terrors.

Weil die Polizei doch selbst immer durchsetzt von Nazis war
Weil sie Oury Jalloh gefesselt und angezündet haben

Am 7. Januar 2005 wurde Oury Jalloh in Dessau in Polizeigewahrsam ermordet. Er war am Abend zuvor verhaftet worden, am nächsten Morgen fand man seine verbrannte Leiche in der Zelle. Gutachten ergaben später, dass ihm vor seinem Tod extreme Gewalt angetan wurde und dass er sich nicht habe selbst anzünden können. 2017 wurde jedoch das Gerichtsverfahren eingestellt. Bis heute gilt der Fall Oury Jalloh als einer der grausamsten und schrecklichsten Morde. Justiz und Polizei zeigen sich unfähig und unwillig, die rassistisch motivierte Tat von Polizei-Beamten umfassend aufzuklären.

Und wenn du friedlich gegen die Gewalt nicht ankommen kannst
Ist das letzte Mittel, das uns allen bleibt, Militanz

Wenn man friedlich keine Möglichkeit hat, jene zu besiegen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährden, ist Gewalt als „letztes Mittel“ für Danger Dan zulässig bis notwendig. Dies lässt sich auch in Bezug auf die vorherstehenden Zeilen verstehen, die Beispiele dafür liefern, dass staatlich legitimierte Organe auch rassistische Morde unterstützen oder begehen können. Vor allem im Rahmen der vorherigen Erwähnung von Oury Jalloh und dem NSU-Fall ist dies als Schlussfolgerung aus dem Umstand zu verstehen, dass die Exekutive wiederholt demonstriert habe, keineswegs immer auf Seiten der Demokratie und der Menschenrechte zu stehen, wenn diese in Frage gestellt und beschnitten werden.

Juristisch ist die Grauzone erreicht
Doch vor Gericht mach‘ ich es mir dann wieder leicht
Zeig‘ mich an und ich öffne einen Sekt
Das ist alles von der, alles von der, alles von der, alles von der
Alles von der Kunstfreiheit gedeckt

 

Fazit

Dennoch sollte die Kunstfreiheit kein Persilschein sein, der dem Künstler alles erlaubt. Danger Dan kommt zum Schluss, auf Staat und Polizeiapparat könne man nicht vertrauen und Militanz sei das letzte Mittel gegen die Gewalt. Wir sollten ihm also keine Distanz zuzuschreiben, sondern Danger Dan ernst nehmen. Denn längst hat sich in der links-woken Szene eine geistige Militanz breitgemacht: Man spielt linksextreme Angriffe herunter, verbreitet unter dem Deckmantel der Antidiskriminierung rassistische Parolen und treibt mit digitalen Hetzjagden Andersdenkende aus dem öffentlichen Diskurs.

Wenn sich die linksextreme Szene Danger Dans Plädoyer für Militanz als reines Kunstwerk werten, dann bedient sie sich desselben Mittels wie die Gegenseite: Sie missbrauchen die Kunstfreiheit, um antidemokratische Einstellungen zu verharmlosen. Denn das Lied ist mehr als eine Kritik an Rechten: Möglicherweise rechtfertigt es die linksmotivierten Gewaltakte.

 

www.Politikeu.de